Tea Master im Ahlbecker Hof – Interview mit Tom Dressel
Kaum etwas steht so symbolisch für den Herbst wie ein dampfende Tasse Tee. Die goldene Jahreszeit und das Heißgetränk gehören untrennbar zusammen. Für Tom Dressel geht die Leidenschaft zum Tee noch ein Stück weiter. Er ist Tea Master in unserem 5-Sterne-Haus SEETELHOTEL Ahlbecker Hof. Wir haben ihn zum großen Interview getroffen.
Christopher Stahl: Herr Dressel, ich bedanke mich, dass Sie sich die Zeit für dieses Gespräch genommen haben. Sie üben neben Ihrer eigentlichen Tätigkeit im Ahlbecker Hof noch eine ganz besondere, andere Funktion aus. Sie sind Spezialist für Tee. Also Teemeister oder Tea Master. Wie heißt es ganz genau?
Tom Dressel: Es heißt beim Teehaus Roonefeldt, wo ich den Titel erworben habe, Tea Master. Und entweder ist man ein Tea Master Gold oder Tea Master Silber. Da kommt es auf die Ausbildungsstufe an.
Christopher Stahl: Wie genau wird man denn Tea Master? Was muss da alles zusammenkommen?
Tom Dressel: Was im Vorfeld stimmen muss, ist natürlich die Einstellung zum Tee. Man braucht Liebe zum Getränk. Mit dieser startet alles. Die Hotels werden in der Regel durch das Teehaus Ronnefeldt angesprochen, ob sie jemanden in den eigenen Reihen haben, den sie weiterentwickeln wollen. Dies ist hier passiert. In meinem Fall wurde es durch unseren Küchenchef Herrn Pezely und unseren Hoteldirektoren Herrn Müller in die Wege geleitet. Daraufhin schickt man ganz klassisch eine Bewerbung ab. Es gab dann ein einstündiges Telefonat mit dem zuständigen Ausbildungsleiter des Teehauses. Dieser hat mich dann zugelassen. Zuerst habe ich einen Silberkurs in der Zentrale in Frankfurt besucht. Wer diesen bestanden hat, der qualifizierte sich für den Goldkurs.
Christopher Stahl: Bevor ich auf die außergewöhnlichen Erfahrungen zum Goldkurs zu sprechen komme, möchte ich noch ein ganzes Stück weiter zurückgehen. Sie haben die Liebe zum Tee angesprochen. Wie lange geht Ihre Leidenschaft für das Heißgetränk zurück und wie fing das damals bei Ihnen an?
Tom Dressel: Das ging los mit dem Kindergarten, so wie man es gewohnt ist. Zu Hause habe ich auch immer viel Tee oder auch Kakao getrunken. In der Ausbildung ist man weiterhin mit dem Thema in Berührung gekommen. Ich musste beispielsweise Referate über Tee halten. Prägend war zudem eine Kindheitserinnerung. Ich habe damals mal kalten Kaffee aus einer abgefüllten Flasche getrunken. Das war schon recht einprägend. Seitdem bleibt der Kaffee bei mir außen vor.
Christopher Stahl: Sie haben gerade Ihre Ausbildung angesprochen. Sicher wissen Sie dadurch mehr als der Durchschnittsbürger über Tee. Was genau wurde Ihnen denn am Berufsanfang vermittelt?
Tom Dressel: Während der Ausbildung im Haus und in der Berufsschule wird das Thema erst einmal nur angerissen. Aber dies ist auch verständlich, da Tee nur einer von sehr vielen Bereichen ist, über den man sich in der Hotelbranche Wissen anzueignen hat. Man weiß aber irgendwann wie Tee hergestellt wird und wie er sich einteilen lässt. Die Finesse selber kommt über das Trinken. Ähnlich wie beim Wein. Das Wissen vertieft sich dann, wenn man mit den Teehäusern in Kontakt steht und ins Detail geht.
Christopher Stahl: Nun ist es so, dass der Herbst prädestiniert für das Teetrinken ist. Man assoziiert es quasi. Wie schaut es denn bei Ihnen persönlich aus, trinken Sie in den anderen Jahreszeiten auch Tee?
Tom Dressel: Da kann man natürlich auch Tee trinken. Tee hilft gegen zum Beispiel gegen Unwohlsein und Magenbeschwerden – unabhängig von der Jahreszeit. Aber auch Eistee kann man aus Tee herstellen, sodass man diesen nicht im Laden kaufen muss. Der Vorteil: Der erhebliche Zusatz von Zucker fällt weg. Man kocht den Tee in der doppelt so hohen Menge wie üblich auf, kühlt ihn mit Eiswürfeln herunter, fertig.
Christopher Stahl: Kommen wir mal auf Ihren Titel als Tea Master Gold zu sprechen. Dieser ging mit einer Reise nach Sri Lanka einher. Was haben Sie dort alles erlebt?
Tom Dressel: Diese Reise ging aus dem Abschluss der Silbereinladung hervor und kam einer Qualifikation gleich. Wir sind dann damals von Frankfurt aus nach Sri Lanka geflogen und haben uns mit weiteren Anwärtern getroffen. Da waren Leute aus Russland, England und Vietnam dabei. Vom Flughafen aus ging es dann langsam in die Berge. Auf dieser Rundreise war Tee dann das alles bestimmende Thema. Egal, ob es sich bei den einzelnen Destinationen um Fabriken, Plantagen, Museen oder Hotels handelte – der Tee stand immer im Mittelpunkt. Der Ausbildungsschwerpunkt während der Reise drehte sich weniger darum, sich mit dem Produkt auszukennen sondern es zu leben. Unsere Abschlusspräsentation drehte sich dann um das Produkt Tee und nicht um seine Eigenschaften. Das war eine sehr interessante Erfahrung, was man alles mit Tee anstellen kann. Aber auch das ganze Leben um den Bereich Tee herum. Was es für die Bewohner von Sri Lanka bedeutet. Eine sehr beeindruckende Erfahrung.
Christopher Stahl: Tee wird dort also in einem viel größeren Maße wertgeschätzt, während es für uns „nur“ ein einfaches Heißgetränk ist?
Tom Dressel: Man muss das Ganze aus dem geschichtlichen Blickwinkel betrachten. Sri Lanka war ursprünglich eine britische Kolonie und dem Kaffeeanbau verschrieben. So lange, bis die Kaffeepest die komplette Insel befallen hatte und keine Kaffeepflanze mehr wachsen konnte. Zwei Herren entdeckten jedoch, dass die Teepflanze auf Sri Lanka wachsen würde. Unter anderem war das ein Herr Lipton – der Name dürfte sicher einigen Menschen etwas sagen. Die Insel wurde daraufhin umgestaltet. Die Bewohner Sri Lankas haben heute immer noch extrem viel Angst diese Sparte abermals zu verlieren, sodass man irgendwann ein eigenes Institut zur Teeforschung gegründet wurde. Hier werden Setzlinge gesichert, sodass man stets Tee nachzüchten kann.
Christopher Stahl: Tee ist damit tatsächlich ein Lebenselixier. Macht es Ihnen persönlich Spaß den Menschen beizubringen, dass Tee eben doch mehr ist als ein warmes Getränk?
Tom Dressel: Natürlich. Man bekommt immer wieder diesen leichten Wow-Effekt. Verdeutlichen wir uns einmal, was es für die Menschen Sri Lankas bedeuten würde, losen Tee fallen zu lassen. Wir würden diesen mit dem Kehrblech wegfegen. Für andere Menschen dieser Erde wäre dies ein erheblicher Verlust. Für uns unvorstellbar.
Christopher Stahl: Nun sind Sie bestens geeignet um uns zu erklären, was einen guten Tee ausmacht. Was muss dieser mitbringen?
Tom Dressel: Ein guter Tee muss Zeit gehabt haben. Ein guter Tee darf nicht groß industriell bearbeitet worden sein. Man muss ihm die Ruhe geben, die er braucht. Hat man ihn erst einmal gekauft, muss er dann auch so gelagert werden, dass er nichts von seiner Qualität einbüßt. Trocken, dunkel, frei von fremden Einflüssen. Egal ob das Gewürze oder Wasserdampf sind. Derartige Dinge können den Tee verderben. Man muss auch nicht immer Premiumtee kaufen von namenhaften Teehäusern. Auch kleinere Häuser können guten Tee liefern. Schließlich muss auch das Wasser zum Aufgießen stimmen. Die unterschiedlichen Regionen unseres Landes haben unterschiedliche Wasserhärten. Daher wird ein Tee in jeder Region der Welt immer ein bisschen anders schmecken. Ganz einfach weil die Zubereitungsbedingungen andere sind.
Christopher Stahl: Das bedeutet, dass wir ein ganz anderes Verständnis von der Teeaufbereitung bekommen müssen. Was können wir denn genau tun, um unseren Tee richtig zu trinken?
Tom Dressel: Zuallererst ist Tee ein Aufgussgetränk. Das heißt, man gibt es das lose Produkt hinzu, bevor man das heiße Wasser aufkippt. Nur so kann sich der Tee entfalten. Dann muss man den Tee seiner Kategorie entsprechend ziehen lassen. Man darf ihn auch nicht einengen. Früher waren Tee-Eier in Mode. Heute ist dies verpönt, weil es den Tee einfach zu sehr einengt. Teeblätter müssen sich entfalten können.
Christopher Stahl: Wie genau äußert sich Ihre Funktion als Tea Master denn hier im Haus? Was genau bietet der Ahlbecker Hof in Sachen Tee?
Tom Dressel: Tee zieht sich im Hotel durch alle Ebenen. Wenn man nach der Anreise auf das Zimmer kommt, findet man eine kleine Tee- und Kaffeestation vor. Man hat das Angebot kostenlos Tee im Kaminzimmer zu trinken. Ähnlich ist es im Wellnessbereich. Man kann Tee selbstverständlich am Morgen trinken. Hier gibt es ein Angebot in 12 verschiedenen Varianten. Man kann ihn am Abend genießen. Und dann natürlich, primär in der kälteren Jahreszeit, in der Form der Tea Time.
Christopher Stahl: Kann man sich noch weiterbilden, wenn man einmal den Status des Tea Masters erreicht hat?
Tom Dressel: Das ist ähnlich wie mit Wein. Auch hier muss man am Ball bleiben. Der Markt wird schließlich immer größer. Und die etablierten Firmen entwickeln sich weiter. Jeder bringt seine Premiumlinie, jeder mischt neu … es gibt also immer wieder etwas Neues zu entdecken. Zudem werden die Geschmäcker immer verschiedener. Es werden jedes Jahr neue Kreationen gewünscht und gefordert. Und schließlich auch kreiert, um diese Forderungen abzudecken. Dementsprechend muss man immer wieder neu probieren, auch als Tea Master.
Christopher Stahl: Was sind die aktuellen Trends?
Tom Dressel: Was gerade gut funktioniert sind Matcha Tees. Aromatisierte Tees gehen auch immer. Fruchtgeschmäcker wie aktuell Erdbeer-Sahne werden immer bestehen bleiben.
Christopher Stahl: Welche Sorten trinken Sie persönlich am liebsten?
Tom Dressel: Meine Bandbreite ist schon sehr groß. Am liebsten habe ich aber schon den grünen Tee. Hin und wieder zieht es mich aber auch zu den „Außenseitern“ Kräuter- und Früchtetee. Die eigentlich gar keine Tees sind!
Christopher Stahl: Hier muss ich nachfragen. Warum sind das keine Tees?
Tom Dressel: Kräuter- und Früchtetee beinhalten keine Produkte des Teestrauches. Das haben wir Deutschen uns sehr einfach gemacht. Es läuft bei uns seit Ewigkeiten unter dem Begriff Tee. Nach internationalen Standards werden Sie jedoch nie einen „herbal tea“ oder einen „fruit tea“ finden, sondern immer nur eine „infusion“, also einen Aufguss.
Christopher Stahl: Hätten wir diese Legende auch geklärt. Interessant, da gerade diese beiden Sorten so ziemlich die ersten sein werden, mit denen man in seinem Leben in Berührung kommt. Und dabei ist das gar kein richtiger Tee?!
Tom Dressel: Nein, überhaupt nicht. Tees, die mit Kräutern oder Früchten versehen wurden sind aromatisierte Tees. Aber keine Tees im eigentlichen Sinne. Wissen Sie, warum Früchtetees in Deutschland alle rot sind? Woher kommt das?
Christopher Stahl: Da muss ich kurz überlegen. Ehrlich gesagt bin ich überfragt.
Tom Dressel: Das hängt auch wieder mit dem Markt zusammen und der Vorstellungskraft der Deutschen. Wenn Sie an einen roten Früchtetee denken, werden Sie immer einen roten Tee vor sich sehen. Deshalb gibt man Rosenblätter oder Hagebuttenschalen hinzu, um den Tee rot zu färben. Das ist der ganze Trick. Ein gelber Tee würde nie so angenommen werden wie ein roter.
Christopher Stahl: Weil wir das eher mit einem Kräutertee verbinden würden?
Tom Dressel: Das kann natürlich auch sein.
Christopher Stahl: Ein eigentlicher Früchtetee ist also gar nicht rot, so wie ich das heraushöre?
Tom Dressel: Nein, nicht zwangsläufig. Nur durch die Zugabe bestimmter Blüten oder Blätter. Natürlich gibt es auch Abweichungen. Zum Beispiel bei einem Lemon-Tee oder einem Orangentee, der seine Ursprungsfarbe behält. Selbst hier im Haus habe ich festgestellt, dass derartige Teesorten häufiger zurückgestellt und nicht ausgetrunken werden, egal ob sie schmecken oder nicht.
Christopher Stahl: Wir dürfen wir uns denn die Teezeremonien vorstellen, die Sie im Ahlbecker Hof anbieten?
Tom Dressel: Diese gestalte ich immer sehr individuell. Natürlich findet ein kleines Vorgespräch mit den Gästen statt, bei dem abgeklärt wird welche Tees wir trinken werden. Und dann kommt es immer auf die Gäste selber an. Manche möchte für sich bleiben. Andere wiederum finden das Thema spannend und möchten sich bestimmte Dinge von mir erklären lassen. Von der Herstellung über die Zubereitung und die Vermarktung. Da gibt man dann gerne Hilfestellungen.
Christopher Stahl: Herr Dressel, ich bedanke mich ganz herzlich, dass Sie sich die Zeit für dieses spannende und erkenntnisreiche Gespräche genommen haben.
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