Mitarbeiter im Porträt – Bernd Kratzel
In dieser Reihe stellen wir Ihnen in loser Folge Mitarbeiter der Seetel Hotels Usedom vor. Dabei nich nur die Hoteldirektoren an der Spitze, sondern besonders die Mitarbeiter der Rezeption, der Küche, im Service, im Housekeeping oder wie hier:
Herrn Bernd Kratzel, Wagenmeister im „Ahlbecker Hof“:
Bernd Kratzel eilt die Stufen des Ahlbecker Hofs hinab. Ein Lächeln sitzt in den Fältchen um seine Augen, kaum verborgen hinter der Nickelbrille. Gerade ist ein Wagen vorgefahren. Die steife Brise von der See erwischt seine Pelerine, das rote Futter blitzt auf. „Guten Tag“, sagt er, als er die Wagentür öffnet. Und: „Herzlich willkommen im Ahlbecker Hof.“
Keine Frage: Wagenmeister Bernd Kratzel meint, was er sagt. Seine Freundlichkeit kommt von Herzen. Doch hinter seiner Begrüßung steht die fein abgestimmte Choreografie des Empfangsbereichs und am Anfang dieser Kette zu stehen, ist eine anspruchsvolle Aufgabe, die für Bernd Kratzel mit dem ersten Blickkontakt beginnt: „Ich versuche, die Körpersprache der Gäste zu entschlüsseln und zu verstehen, was sie von mir erwarten.“ Bernd Kratzel begleitet neu ankommende Gäste zum Empfang, zeigt ihnen ihr Zimmer, bringt ihnen das Gepäck – und verlässt zu guter Letzt rückwärts gehend das Zimmer. „Ich kann schließlich einem Gast nicht den Rücken zudrehen!“ sagt er. Seine Höflichkeit ist klug und leise. Und für ihn eine Selbstverständlichkeit.
Mit langen Schritten eilt Bernd Kratzel über die endlosen Gänge, die den Ahlbecker Hof mit der Tiefgarage unter der Residenz verbinden. Er muss sich beeilen, er will zur verabredeten Zeit mit der hauseigenen Limousine vor der Tür stehen, um den abreisenden Gast zum Bahnhof zu bringen. Noch nicht einmal der Anflug eines Zweifels, ob der Zug noch pünktlich erreicht werden kann, soll den Gast anwehen.
Die Zufriedenheit der Gäste hat für Bernd Kratzel viel mit seiner eigenen Zuverlässigkeit zu tun. Und damit, vorausschauend alle möglichen Unbequemlichkeiten zu beseitigen und gleichzeitig für Bequemlichkeit zu sorgen. „Ich mache nicht nur meinen Job, ich habe meinen Job zu meiner Berufung gemacht“, sagt er und obwohl dieser Satz ein wenig nach Motivationstraining klingt, gelingt es Bernd Kratzel ohne Mühe, diese Worthülse mit Leben zu füllen.
Zurück vom Bahnhof wartet die nächste Aufgabe auf ihn. Mit einem Arm voller Holzscheite betritt er das Kaminzimmer, vor dem Kamin beugt er ein Knie und in dieser eleganten Pose schichtet er das Holz in der Schütte auf. Nein, das Holz poltert nicht zu Boden. Nein, es geschieht nichts, was den harmonischen Gleichklang des winterlichen Vormittags durchbrechen würde. Bernd Kratzel macht einfach nur perfekt wie immer seine Arbeit. Selbst das Anzündeholz stapelt er in gleichmäßigen Waben, bevor er es mit einem Fidibus entzündet. Wenig später prasseln die Buchenscheite leise im Feuer.
Bernd Kratzel passt so gut zu seiner Aufgabe im Ahlbecker Hof, dass es kaum vorstellbar ist, es könne für ihn eine Zeit gegeben haben, in der er nicht der Wagenmeister war. Aber es gab sie, die Zeit, in der Bernd Kratzel und der Ahlbecker Hof noch nichts voneinander wussten. Aufgewachsen ist er in Altenburg in Thüringen und sein Militärdienst brachte ihn in den Norden, das Land der drei Meere: „Es gab Wald, Sand und das Nichts.“ Und eine Frau gab es, wegen der Bernd Kratzel trotz der drei Meere im Norden blieb. Er heiratete, das Ehepaar hat zwei heute erwachsene Kinder, und Bernd Kratzel arbeitete als Maschinenschlosser in der Anklamer Zuckerfabrik. Nach der Wende machte er erst einmal seinen Führerschein: „Na ja, uns wurde gesagt, wir müssten flexibel sein.“
Arbeitslos wurde er trotzdem, unter dem neuen Besitzer der Zuckerfabrik wurde ein Großteil der Belegschaft entlassen. Bernd Kratzel machte eine Umschulung zum Trockenbauer und reiste fortan den Baustellen quer durch die ganze Bundesrepublik hinterher. Nach einigen Jahren hatte er davon gründlich die Nase voll, er wollte seine Frau und die Kinder nicht nur am Wochenende sehen. „Seetel suchte einen Spüler für die Küche. Die Anzeige kam mir gerade Recht. Egal was, aber ich wollte nicht länger unterwegs sein.“
Als Bernd Kratzel zu seinem Bewerbungsgespräch kam, war die Stelle als Spüler schon weg. Nach Hause schickte ihn der Seniorchef trotzdem nicht. „Er hat mich gefragt, ob ich ohne Berührungsängste auf Menschen zugehen kann. Das konnte ich bejahen. Und dann hat er mir die Stelle als Page angeboten.“
Das war 1999, im März. Vom Pagen mit Saisonvertrag wurde Bernd Kratzel zum ganzjährig beschäftigten Wagenmeister. An das Arbeiten am Wochenende hat er sich rasch gewöhnt. Trotzdem freut es ihn, wenn er auch während der Hochsaison im Sommer eine Woche Urlaub bekommt. Dann hat er mehr Zeit, die er in seiner Datsche verbringen kann. Oder er fährt mit seiner Frau in den Harz. „Deutschland hat so schöne Ecken.“
Viel erlebt hat er in den vergangenen Jahren. Wie den Besuch der schwedischen Königin Silvia 2007. „Wir hatten eine kleine Schulung über den richtigen Umgang. Man hat ja schließlich nicht jeden Tag eine echte Königin im Haus“, sagt er und klingt ziemlich stolz. Oder den Ausflug mit dem Seniorchef des Otto-Versandhauses, den er mit dem Oldtimer des Ahlbecker Hofs, einem Ford Asquith, bis nach Anklam fahren konnte. Und viele Erfahrungen mehr, über die er schweigt, weil es sich so gehört.
Jeder neue Tag ist für Bernd Kratzel eine Wundertüte, auf die er sich so gut wie möglich vorbereitet. „Mit meinen Hemden bin ich eigen, die stärke und bügele ich selbst, damit braucht sich meine Frau nicht zu belasten.“ Bernd Kratzel weiß nicht, was auf ihn zukommt, wenn er sich die Schildmütze mit dem breiten Band „Ahlbecker Hof“ aufsetzt, er weiß nicht, welchen Menschen er im Laufe seines Arbeitstages begegnen wird. Aber er freut sich auf sie. Jeden Tag aufs Neue. Bevor er die Personalumkleide verlässt, fährt er mit einem weichen Tuch über die kupferne Plakette mit seinem Namen, die er auf der linken Brust trägt. „Der Name ist klein geschrieben. Unsere Größe zeigen wir woanders“, sagt er und nimmt seinen Platz ein. (Text Ulrike Krickau)
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