„Im Ruhrgebiet ist man nicht evangelisch oder katholisch, sondern Borusse oder Schalker“
„Der einzige Schalker, der dem BVB zu einer Meistschaft verholfen hat“ – Das Blut von Hark Pezely, dem Küchenchef des SEETELHOTEL Ahlbecker Hof, ist königsblau. Als Koch begleitete er dennoch 4 Jahre die Borussen und feierte mehrere große Titel mit ihnen. Wie es zu diesem „Unding“ kam und was er von der anstehenden Bundesligasaison erwartet, verrät unser großes Interview.
Christopher Stahl: Herr Pezely, der Auftakt der neuen Bundesliga-Saison steht unmittelbar bevor. Ich bin mir ziemlich sicher, dass Sie sich bereits auf die neue Spielzeit freuen. Bevor wir über die neue Saison sprechen würde mich zuerst jedoch einmal interessieren wie Sie damals mit dem Fußball in Kontakt gekommen sind?
Hark Pezely: Mit dem Fußball bin ich als kleines Kind schon konfrontiert worden. Meine Grundschule war in Wanne-Eikel, die höheren Schulen habe ich dann in Gelsenkirchen und in Herten besucht. Wenn man diese Ort hört, dann assoziiert man das sofort mit einem Fußballverein – dem FC Schalke 04. Da wird man als Kind geradezu hereingeboren. Wenn man sich in dieser Region des Ruhrgebietes bewegt, dann wird man mit dem Thema Fußball einfach konfrontiert und dann muss man sich dementsprechend auch entscheiden. Im östlichen Ruhrgebiet gibt es eigentlich nur drei Entscheidungen, die man treffen kann. Das ist der BVB, das ist der VfL Bochum und das ist Schalke 04. Und da ich eben in Wanne-Eikel und Gelsenkirchen zur Schule gegangen bin liegt es sehr nahe das man Tendenzen zu den Blau-Weißen hat.
Christopher Stahl: Und das hält dann ein Leben lang?
Hark Pezely: Im Ruhrgebiet ist man nicht evangelisch oder katholisch, sondern Borusse oder Schalker. Das hat Religionsstatus dort.
Christopher Stahl: Das wird jetzt für die meisten erstaunlich klingen, für einige sogar unmöglich. Sie haben schon durchklingen lassen das Sie Schalker mit Leib und Seele sind. Haben aber für den BVB gearbeitet! Wie ist es dazu gekommen?
Hark Pezely: Eigentlich ist es ein Unding. Aber wenn der Arbeitsmarkt es so will. Ich war davor in der Eifel tätig. Meine Frau kommt auch aus dem Ruhrgebiet und wir sind zusammen zur Schule gegangen. Sie wollte als Journalistin gerne wieder ins Ruhrgebiet zurück. Da es für Köche leichter ist im Ruhrgebiet einen Arbeitsplatz zu finden als für Journalisten, hatte sich das dann so ergeben. Wir gingen nach Dortmund, wo es ein Hotel, den Lennhof, die damals einen Küchenchef suchten. Zufällig gehört dieses Hotel Borussia Dortmund. So wurde ich dann Küchenchef des Lennhofs und gleichzeitig Koch für den BVB, weil dort die Spieler vor jedem Heimspiel untergebracht waren. Hier wurden die letzten Trainingseinheiten absolviert und hier wurde dann auch verköstigt. Und so kam es, dass ich als Schalker zwischen 1994 und 1998 sogar zwei Mal die Meisterschaft hochhalten konnte.
Christopher Stahl: Kamen denn aus dem Freundeskreis mal dumme Sprüche, dass man als Schalker für den Erzrivalen arbeitet?
Hark Pezely: Nein, das Problem hatte ich nicht. Mein Freundeskreis in Dortmund war sowieso Schwarz-Gelb angehaucht und zu den Klassenkameraden von früher hatte man nur noch losen Kontakt, nachdem man erst einmal im Berufsleben angekommen war. Selbst wenn ich mich nach Hause zu meiner Mutter aufmachte, war das eigentlich nie ein Problem. Das war meine Arbeitsstätte. Dass sich dort auch Boxer, Fußballer und sonstige Sportler aufhielten – eben weil es ein Sporthotel ist – wurde einem nicht krumm genommen.
Christopher Stahl: Gab es denn ganz besondere Erinnerungen, die Sie mit dieser Zeit verbinden? Sie hatten gerade schon die zwei Meisterschaften angesprochen. Der BVB war zwischen 1994 und 1998 sportlich ja extrem erfolgreich.
Hark Pezely: Wenn man als Schalker auf solch einer Meisterfeier dabei ist – und die Spieler und die Verantwortlichen, dass auch wussten, dass mein fußballerisches Herz woanders schlägt – war das häufiger schon eine lustige Angelegenheit. Als ich 1998 das Haus verließ, um etwas Neues zu machen, habe ich mit dem damaligen Präsidenten und Manager Gerd Niebaum eine Verabschiedung gemacht. Ich wurde dann gefragt: „Warum gehst du überhaupt?“ Dann habe ich gesagt: „Wenn die Spieler nach einem gewonnenen Pokal und einer gewonnenen Meisterschaft eine extrem hohe Prämie bekommen, der der sich verköstigt aber nicht im Ansatz bedacht wird, ist das schon sehr merkwürdig.“ Natürlich war das sehr scherzhaft gemeint. Die Führung konnte sich darüber köstlich amüsieren. Mein Schlusssatz war dann, dass ihr schon sehen werdet was ihr davon habt, wenn ich ab dem nächsten Jahr nicht mehr da bin. Und siehe da, dann war es vorbei mit Meisterschaft und Champions League – Sieg. Zwei Jahre später traf man sich dann zufällig auf Sylt wieder, wo ich zu diesem Zeitpunkt arbeitete. „Ich habe es euch prophezeit“ meinte ich dann. „Ihr müsst euer Personal, auch wenn es nicht fußballerisch tätig ist, anders behandeln, sonst wird das nichts.“ Und ich kann behaupten, dass ich der einzige Schalker bin, der die Dortmunder zur Meisterschaft gebracht hat.
Christopher Stahl: Was kocht man eigentlich für Fußballer?
Hark Pezely: Am Abend vor einem Spiel dürfen die Fußballer ganz normal essen. Klar wird darauf geachtet, dass es ernährungspsychologisch einwandfrei ist. Dass viel Gemüse dabei ist. Dass man eher Fisch als Fleisch serviert. Es gibt Obst in größeren Mengen zum Frühstück. Am Spieltag selbst achtet man darauf, dass keine wassertreibenden Speisen gereicht werden. Gurke zum Beispiel ist ein No-Go. Wenn ein Spieler während eines Spiels zur Toilette müsste, das wäre eine peinliche Angelegenheit. Es wird viel mit Pasta gearbeitet. Man achtet darauf, dass es Gerichte gibt die leicht verdaulich sind und keine Blähungen verursachen. Im Nachhinein wurde quasi immer Eiscreme und Süßigkeiten gereicht. Zucker ist ja ein Energieträger. So sah der Speiseplan direkt vor dem Spiel immer aus.
Christopher Stahl: Gab es irgendwelche Sonderwünsche von bestimmten Spieler, die mit ganz besonders verrückten Wünschen an Sie herangetreten sind?
Hark Pezely: Das gab es tatsächlich. Matthias Sammer trank sein Malzbier grundsätzlich immer lauwarm. Das konnten wir nie verstehen. Jens Lehmann, unser Torwart, aß auch vor dem Spiel immer am liebsten was mit Bohnen. Keine Ahnung warum der das durfte und die anderen nicht. Man steht ja alleine im Kasten. Wenn dann Blähungen auftauchen kriegen die anderen das wahrscheinlich eher nicht mit… Dann gab es Leute die grundsätzlich ein Steak zu ihren Nudeln dazuhaben wollten. Jürgen Kohler gehörte dazu. Sonst hat jeder so seine Macken gehabt. Der eine aß sein Eis nicht so gerne am Mannschaftstisch, sondern ließ sich das lieber in sein Zimmer hochbringen. Besonderheiten gab es da schon.
Christopher Stahl: Schauen wir mal auf die neue, vor uns liegende Saison, die am Freitag startet. Was erwarten Sie denn von der neuen Spielzeit? Besonders als Schalker. Und das wichtigste: freuen Sie sich schon, nachdem wir in diesem Sommer bereits eine WM hatten?
Hark Pezely: Da diese WM nicht besonders erfreulich war, freut man sich natürlich auf die jetzt kommende Saison. Die erste Pokalrunde ist ja schon vorbei und man setzt den Fokus natürlich weiterhin auf die Vereine im Ruhrgebiet. Das ist in der 2. Liga der MSV Duisburg und der VfL Bochum. Ein gewisses Augenmerk legt man in den Süden der Republik – wobei das in den letzten Jahren in der Regel nicht mehr ganz so spannend war. Also heißt es, dass der zweite der Tabelle der wahre Meister ist. Die Bayern spielen einfach in einer anderen Liga, das muss man so sagen. Für uns Schalker ist das Derby immer wichtig, also die beiden Spiele gegen die Schwarz-Gelben. Nach dem Saisonende sollte man, wenn es irgendwie möglich ist, vor den Borussen stehen. Im letzten Jahr ist uns das geglückt, nach einer langen Durststrecke. Der BVB hat grundsätzlich schon den stärkeren Kader. Aber die Schalker sind da eigentlich auf einem ganz guten Weg. Ja, man fiebert der Saison entgegen.
Christopher Stahl: Gibt es denn auch international Ansprüche die man stellen kann, nachdem man aktuell Vizemeister ist?
Hark Pezely: In der Champions League vertreten zu sein ist natürlich ein Highlight. Wenn ich im Winter Zeit habe, fahre ich auch wieder nach Gelsenkirchen, um mir im Stadion ein Spiel anzusehen. Ich habe mir mit ein paar Kollegen aus dem Haus bereits ein paar Spiele live anschauen können. Jetzt warten wir erstmal auf die Auslosung. Wenn dann ein Verein wie Real Madrid, der FC Barcelona oder die englischen Top-Clubs mit im Lostopf sind – das ist dann schon etwas Herausragendes.
Christopher Stahl: Ich hatte vor dem Gespräch mal nachgeschaut wie viele Kilometer Luftlinie zwischen Ahlbeck und Gelsenkirchen liegen. Das sind knapp 680 Kilometer. Da kommt man wahrscheinlich nicht mehr allzu oft in der Veltins-Arena vorbei. Wann waren Sie denn das letzte Mal im Stadion und wie oft kommt man noch dazu?
Hark Pezely: Wenn ich es schaffe mir in Gelsenkirchen Spiele anzusehen, dann sind das ungefähr zwei im Jahr. Das ist halt im Winter, wenn es hier auf der Insel ein wenig ruhiger ist. Generell mache ich im November/ Dezember immer Urlaub und fahre dann auch meistens in den Pott. Dort leben meine Mutter, mein Bruder und viele Verwandte, Bekannte und Freunde. Unter anderem auch Sportjournalisten, die man von früher kennt, wie Werner Hansch oder Christoph Pauli von den Aachener Nachrichten. Mit denen geht man dann gerne ins Stadion. Die Nordkurve muss ich nicht mehr haben, ich sitze dann meist auf der Pressetribüne mit einem dieser Journalisten. Das ist ein
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