Hark Pezely – Das große Abschiedsinterview!
An einem stürmischen Herbsttag im Jahr 2001 setzte Hark Pezely das erste Mal seinen Fuß auf Usedomer Boden. Nachdem er 17 Jahre die Geschicke des SEETELHOTEL Ahlbecker Hof als Küchenchef leitete, verlässt er nun die Insel. Eines DER Gesichter der SEETELHOTELS Usedom tritt ab. Wir haben ihn zum (vorerst) letzten großen Interview getroffen!
Christopher Stahl: Herr Pezely, ich bedanke mich ganz herzlich, dass Sie sich noch einmal die Zeit für ein Abschiedsinterview genommen haben. Damit gehen mehr als 17 Jahre Wirken und Schaffen auf Usedom Ihrem Ende entgegen. Lassen Sie uns ganz am Anfang beginnen. Können Sie sich noch daran erinnern, wann Sie das erste Mal auf Usedom waren?
Hark Pezely: Mein erster Tag auf Usedom war am 5. Oktober 2001. Ich kam gerade von Sylt, wo es extrem stürmisch war. Ich komme also zum ersten Mal auf die Insel, sehe das Wasser und denke: „Was ist das denn für ein See?!“ Hier war alles flach. Anders als ich es von der stürmischen Nordsee gewohnt war. Das war schon ein kleiner Kulturschock.
Christopher Stahl: Kulturschock nur von der Landschaft her oder auch auf die Menschen bezogen?
Hark Pezely: Die Eigenarten der Einwohner konnte ich natürlich erst später kennenlernen. Der Menschenschlag Nordfrieslands ist dem von Vorpommern recht ähnlich. Es sind sehr verschlossene Menschen. Sylt bildet da vielleicht eine gewisse Ausnahme, weil es so lange schon „lebt“. Ich bin damals ins Hinterland gezogen und habe dort tatsächlich in den sieben Jahren in denen ich dort gelebt habe keine sozialen Kontakte gefunden.
Christopher Stahl: Wie sind Sie bei den SEETELHOTELS Usedom und im Ahlbecker Hof gelandet?
Hark Pezely: Da gab es zwei Punkte. Einer war ein Weinfachmann, Gibron Fra, und der andere ein Headhunter aus Berlin. Die Familie Seelige-Steinhoff suchte damals für den Ahlbecker Hof einen Küchenchef. Über den Headhunter meldete man sich dann bei mir. Gibron Fra wiederum war in den 2000er Jahren Berater für die Gastronomie und Hotellerie. Ich wurde dann vom Headhunter angesprochen, wollte aber eigentlich nicht weg von Sylt. Mein Lebensstil auf Sylt änderte sich dann und ich brachte mich irgendwann wieder selbst ins Spiel. Gibro Fra, den ich persönlich sehr gut kenne, hat der Familie Seelige-Steinhoff dann gesagt, wenn sie Herrn Pezely haben können, sollten sie nicht zögern. Vom Erfahrungswert her wäre dies eine absolute Bereicherung. Und so bin ich zu den SEETELHOTELS Usedom gekommen.
Christopher Stahl: Wie musste man sich die Küche des Ahlbecker Hofs im Jahre 2001 denn vorstellen? Und welchen Stil haben Sie darauf im Hotel eingebracht?
Hark Pezely: Das war tatsächlich eine ganz lustige Erfahrung. Als ich in die Küche reinkam, musste ich die Köche erst einmal fragen wo die Sauteusen sind. Daraufhin sagte man mir: „Sowas haben wir hier nicht.“ Da war ich natürlich perplex. Worin macht ihr dann eure Saucen und euer Gemüse, wollte ich wissen. „Das machen wir primär in der Vorbereitung. Und der Rest wird dann draußen zubereitet.“ Ich darauf: „Wie, draußen?“ Damals gab es hier einen Restaurantleiter, dem es einen Heidenspaß bereitete vor den Gästen zu kochen. Keine Ahnung, wie er es gemacht hat, aber er soll sogar einen Chateaubriand am Tisch gemacht haben. Chateaubriand braucht normalerweise 30 bis 45 Minuten im Ofen … Jedenfalls kochte er gerne am Tisch. Und die Köche freuten sich darüber, denn das bedeutete für sie wesentlich weniger Arbeit. Das war damals schon ein kleiner Kulturschock für die Köche, die hier waren, als ich direkt neue Kochutensilien kaufte und es abstellte, am Tisch zu kochen. Es ging ja auch darum einen Ruf zu verlieren. Und so habe ich dann meinen Stil mit eingebracht. Dafür habe ich auch ein paar Leute mit hergebracht, mit denen ich bereits auf Sylt zusammengearbeitet habe. Und so war es dann für mich verhältnismäßig leicht die Köche davon zu überzeugen, dass man als Koch doch ein anderes Aufgabengebiet hat, als es hier üblich war.
Christopher Stahl: Inzwischen steht die Küche des Ahlbecker Hofs auch für Ihren Namen. Wie etabliert man so einen Ruf?
Hark Pezely: Zu allererst braucht man eine Konstante. Man muss kontaktfreudig sein und man muss das Gespräch mit den Gästen suchen. Es geht darum, gerade bei Stammgästen, herauszufiltern, was die Vorlieben sind – auch wenn diese manchmal ein bisschen verrückt sind. Eine zweite Sache ist das veranstalten von Events. Etwas, das mir immer sehr viel Spaß gemacht hat. Mit Hilfe von Veranstaltungen erreicht man eine überregionale Presse. Die Medien werden im Idealfall auf die Events aufmerksam. Wenn das dann mit dem eigenen Namen verbunden ist, spricht sich das über die Grenzen des eigenen Standortes hinaus herum. Der ein oder andere Gast besucht aufgrund solcher Berichterstattungen dann vielleicht das Restaurant. Und wenn er die Küche dann noch spannend findet, sind die Chancen ganz gut, dass er wieder kommt.
Christopher Stahl: Sie haben den Begriff der Events schon angesprochen. Viele Leute wissen inzwischen, dass Sie einer der Begründer des Grand Schlemm waren. Sie haben also einen großen Teil dazu beigetragen, dass Usedom inzwischen auch als Kulinarikdestination wahrgenommen wird. Wie kam es dazu?
Hark Pezely: Der Grand Schlemm ist eine Idee, die damals eigentlich von Herrn Wehrmann vom Hotel Ostseeblick in den Raum geworfen wurde. Dieser hatte in Italien eine Veranstaltung besucht, bei der man durch die Berge wanderte und ab und zu gab es einen kleinen Imbiss. Diese Idee nahmen Bryan Seifert, Ralf Haug und ich auf und kamen zu der Überzeugung, dass wir so etwas hier auch etablieren könnten. Der Unterschied bestand darin, dass wir am Strand kochten. Und dazu hochwertige Küche anboten. So entstand die Idee 2005. Wir haben noch diverse, andere Kollegen angesprochen. Zu dritt wäre das schwierig gewesen. Und so fanden sich am Ende neun Kollegen und ein großer Lieferant von uns, der ebenfalls mitmachte. Und so haben wir heute 10 Stationen auf dem Weg von Ahlbeck nach Bansin. Wir vom Ahlbecker Hof fangen immer an mit zwei Stationen, bis es dann in Bansin mit dem SEETELHOTEL Strandhotel Atlantic und einem Dessert endet. Die SEETELHOTELS Usedom sind mit drei Häusern sehr prominent vertreten beim Grand Schlemm. Insgesamt machen wir ein Drittel des Grand Schlemm aus, was ein toller Wert ist.
Christopher Stahl: Werden Sie die Geschicke rund um den Grand Schlemm weiter verfolgen, selbst wenn Sie nicht mehr vor Ort sind?
Hark Pezely: Natürlich werde ich den Grand Schlemm weiterhin verfolgen! Ich weiß ja jedes Jahr den genauen Termin. Daher werde ich mir in den nächsten Jahren sicherlich auch mal die Zeit nehmen, um hier aufzutauchen und selbst einmal mitzulaufen. Das habe ich in den 13 Jahren bisher nie geschafft. Man stand vorne an der Station und hatte seinen Gang zu kochen. Das wird mit Sicherheit mal eine schöne Abwechslung.
Christopher Stahl: Haben Sie denn ganz besondere Momente, die Sie mit Ihren 17 Jahren Usedom verbinden? Gibt es Geschichten, an die Sie immer wieder denken müssen?
Hark Pezely: Staatsbesuche waren natürlich eine außergewöhnliche Sache. Egal ob das Horst Köhler war, die Königin Silvia oder Prinz Frederik von Dänemark. Da wurde immer ein Aufwand betrieben, der außergewöhnlich war. Schön für unsere Küche: Wir bekamen alle einheitliche Jacken und Hosen, da wir Spalier stehen sollten. Daher war das für unsere Küche sehr angenehm und schön. Kurze Kontakte zu berühmten Personen waren aber auch immer sehr schön. Beispielsweise als die Scorpions vor Ort waren. Diese hatten in Greifswald ein Konzert und haben angefragt, ob sie danach noch etwas essen könnten. Das ging jedoch erst um 3 Uhr in der Früh los. Da habe ich meinen Köchen gesagt, dass ich das selber mache und sie nicht extra deswegen bleiben müssten. Das war eine ganz lustige Nacht, wenn man die Chance hat, mit solchen Rockmusikern noch ein wenig zu feiern. Udo Lindenberg, der ein absoluter Freund dieser Insel ist, habe ich mehrere Male kennengelernt. Das ist wirklich ein super Typ, der privat ganz anders ist, als wenn man ihn auf der Bühne erlebt. Das genaue Gegenteil war Nena, die ja eigentlich immer ganz gut rüberkommt. Die Frau hat Manieren … Decken wir den Mantel des Schweigens drüber.
Christopher Stahl: Sie haben gerade eine Vielzahl berühmter Persönlichkeiten angesprochen. Kocht man in solchen Situationen anders? Oder ist es dasselbe, als wenn man für ganz gewöhnliche Gäste kocht?
Hark Pezely: Nein. Das kann man auch gar nicht. Man ist vielleicht konzentrierter. Die Mannschaft ist disziplinierter. Aber der Küchenstil ist der Küchenstil. Und da werden wir uns nicht auf einmal neu erfinden. Man muss versuchen, bei solchen Veranstaltungen den Geschmack aller zu treffen. Und das geht eigentlich nur, wenn man mit den Klassikern arbeitet.
Christopher Stahl: Sie haben die Messlatte im Ahlbecker Hof sehr, sehr hoch gelegt. Wie geht es jetzt im Haus weiter? Wie kann man diesen hohen Standard halten?
Hark Pezely: Erst einmal gilt es festzuhalten, dass es eine Küchenbrigade gibt, die sehr eingespielt ist. Ich weiß nicht, inwieweit es mit einem weinenden und einem lachenden Auge verbunden ist, wenn ich nicht mehr hier bin. Definitiv werden die Saucen nicht mehr so stark aufgeschäumt werden. Das ging dem einen oder anderen Koch zu meinen Zeiten sehr stark auf den Senkel. Klar, es wird ein neuer Stil mit reinkommen. Aber das muss auch so sein. Aber da habe ich gar keine Bedenken, dass nicht eine ordentliche Nachfolge aufgebaut wird. Der Küchenchef ist im Grunde derjenige, der die einzelnen Stile seiner Köche zusammenfügen muss – immer bezogen natürlich auf seinen eigenen Stil. Dieser ist der Maßgebende. Aber mit ein wenig Demokratie und Einfühlungsvermögen bekommt man die Köche dazu, dass sie diesen Stil mit annehmen. Deshalb wechseln sie ja auch in andere Regionen oder wechseln die Stellen, damit sie noch etwas dazulernen können. Egal wie mein Nachfolger am Ende heißen wird, es wird jemand sein, der einen eigenen Stil hat und der wahrscheinlich auch nicht unbekannt ist. Von daher wird es so sein, dass die Köche dann sagen: „Mensch, unter demjenigen würde ich auch gerne einmal arbeiten. Der hat diese ganz besonderen Fähigkeiten. Diese würde ich mir gerne einmal näher ansehen.“
Christopher Stahl: Sie haben die kulinarischen Geschicke der Insel Usedom 17 Jahre mitgestaltet. Kann man denn sagen, wie sich die Insel insgesamt entwickelt hat?
Hark Pezely: Usedom hat sich schon stark entwickelt. Als ich 2001 hier angefangen habe, gab es einen Mann namens Markus Lübcke. Dieser arbeitete auf der Seebrücke. Dazu gab es das Ostseeblick mit einer guten Küche. Aber das war es dann auch. Da ich von Sylt kam, wo es um 2000 eine sensationelle Gastronomie gab, war das für mich ein Punkt, wo ich sagte, dass es das auch hier geben müsste. Mir ist es dann auch gelungen den ein oder anderen hier für die Insel oder speziell für die SEETELHOTELS Usedom zu gewinnen. Das sind Namen wie Andre Münch, Tom Wickbold, Stefan Franck. Selbst Ralf Hauck hat ja mal für die Seetel-Gruppe gearbeitet. Bezogen auf die Region hat sich hier also schon einiges getan. Selbst wenn man nicht nur die absoluten Toprestaurants nimmt, sieht man, dass sich auch die Ebene darunter gut entwickelt. Da hat sich die Qualität auch gesteigert.
Christopher Stahl: Wie schaut es denn bei Ihnen aus, was die Zukunft betrifft? Kann man schon absehen, dass es neue Herausforderungen gibt, oder gehen Sie das ganz entspannt an?
Hark Pezely: Erst einmal gehe ich es ganz ruhig an. Was mich immer faszinierte nach meiner Tätigkeit in Daun, wo es eine Sterneküche gibt, ist die Arbeit in einem Haus, in dem es scheinbar nicht richtig funktioniert. Also etwas mit aufzubauen. Der Lennhof in Dortmund war damals zwar verhältnismäßig bekannt, hatte aber nur noch eine bedingt gute Küche. Das hat enormen Spaß gemacht dort mit Borussia Dortmund etwas aufzubauen und den Laden nach vier Jahren erfolgreich zu übergeben. Spaß gemacht hat es auch im Landhaus Rantum auf Sylt zu arbeiten – ein kleines, ganz tolles Haus auf die Gourmetschiene zu bringen. Das war schon spannend. Es ist schade, dass das ein oder andere Objekt danach wieder in der Versenkung verschwand. Aber gut, so ist Gastronomie, so ist das Leben.
Christopher Stahl: Wo es genau hingeht wissen Sie aber noch nicht?
Hark Pezely: Nein. Aber ich sage immer, dass von Flensburg bis Wien alles möglich ist. Es muss deutschsprachig sein, da ich es mit den Fremdsprachen nicht so habe. Hier war es teilweise schon schwierig, sich mit unseren polnischsprachigen Kollegen zu verständigen. Ich habe ja in Deutschland und in Österreich schon in fast allen möglichen Regionen arbeiten können. Westdeutschland, Norddeutschland. Zum Schluss mit Usedom auch in Ostdeutschland. Im Süden bin ich eine ganze Weile gewesen. Was mich durch meine Weinaffinität immer fasziniert hat, waren Weinanbaugebiete. So etwas könnte ich mir sehr gut vorstellen. Aber da bin ich nach allen Seiten hin offen.
Christopher Stahl: Was ist das Erste, was Sie machen werden, wenn Sie Ihre Schürze hier an den Nagel hängen und plötzlich mit Zeit gesegnet sind?
Hark Pezely: Erst einmal werde ich am Samstag wohl ausschlafen. So wie ich meine Jungs kenne, werden die mit mir noch mal ein Glas Wein oder ein Bier trinken wollen. Ich selbst tue das ja nicht. Am Wochenende sind Landtagswahlen in Bayern. Diese werde ich mit Sicherheit intensiv verfolgen. Und ab Montag geht es dann bereits wieder los sich neu zu organisieren. Die Wohnung muss aufgegeben werden, eine neue Wohnung muss her, ein Umzug steht an. Wer schon einmal einen Umzug gemacht hat, der weiß, was das bedeutet. Ich selber habe bereits 29 davon hinter mir. Urlaub ist so erst einmal noch nicht geplant.
Christopher Stahl: Schauen wir abschließend noch mal in die Glaskugel und nehmen wir an, dass wir ein paar Jahre in die Zukunft reisen. Was würden Sie in fünf Jahren gerne über Ihren alten Arbeitgeber und die Küche des Ahlbecker Hofs lesen?
Hark Pezely: Dass es eine Kontinuität im Haus gibt. Dass das Flaggschiff der Insel, der Ahlbecker Hof, immer noch Bestand hat. Man sieht ja, dass links und rechts viele neue Sachen gebaut werden. Es wird mit Sicherheit keine schlechtere Hotellerie sein, die sich dann hier niederlässt. In diesem Konkurrenzkampf soll der Ahlbecker Hof bestehen. Kontinuität ist für mich das Wichtigste.
Christopher Stahl: Was genau sollte denn in fünf Jahren über Hark Pezely in der Zeitung stehen?
Hark Pezely: Ich weiß gar nicht, ob ich dann überhaupt noch in der Zeitung erwähnt werden will oder das nötig habe. Wenn man mal diese 17 Jahre Revue passieren lässt, dann würde ich sagen, dass ich als gastronomischer Heißsporn angefangen habe. Und heute bin ich eher der gesetzte, gediegene Küchendirektor. Ich glaube, dass ich es deshalb nicht mehr so sehr brauche, im Rampenlicht zu stehen. Was ich bestimmt machen werde, egal wo es hingeht, ist der Aufbau von Events. Das ist einer der Vorteile in der Gastronomie: dass man durch seine Arbeit enorm viele Leute kennt. Egal, in welche Region ich heute gehen würde. Innerhalb von 60 Kilometern sitzt bestimmt jemand den ich bereits kenne. Da noch einmal was aufzubauen, das wäre super.
Christopher Stahl: Herr Pezely, ich bedanke mich ganz herzlich. Ich spreche mit Sicherheit für viele Leute, wenn ich sage, dass ich gespannt bin wo es Sie als nächstes hin verschlägt. Dafür wünsche ich alles erdenklich Gute.
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